Blumenthal

Die Öffentlichkeitsarbeit der Psychokulte

Antje Blumenthal, Mitglied des Deutschen Bundestags

 

Sehr geehrter Herr Senator Nagel,

sehr geehrter Herr Griess,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

Weltraumfürsten, Raumschiffe, Außerirdische –

So stellte sich L. Ron Hubbard das Universum in den 50ern vor. Der Science-Fiction Autor lebte in wilden Phantasien und glaubte an einen außerirdischen Fürsten. Dieser – so sein wirrer Gedanke – habe vor 35 Billionen Jahren zig millionenfach geklonte Thetane auf der Erde abgesetzt. Und um dem ganzen die Krone aufzusetzen, erklärte Hubbard seine Science-Fiction Organisation zu einer Kirche und sich selbst zum Überwesen seiner neuen „Pseudo-Religion“: Scientology war geboren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute würde Hubbard für solche wirren Gedanken höchstens noch ein amüsiertes Lächeln kassieren.

Tatsächlich hatte Hubbard damals aber die Zeichen der Zeit erkannt. Er verstand es sehr genau, die Leute mit aktuellen Themen mitzureißen: Und aktuelles Thema war damals die Raumfahrt. Hubbard zeigte den Menschen damit Vorbilder, Hoffnungen und Illusionen auf und band sie an sich. Zwischen Sputnik-Schock und erster bemannter Raumkapsel legte Hubbard den Grundstein für seine zunächst auf Science-Fiction-Phantasien beruhende „Welt(raum)religion“.

Als Scientology in den frühen 1970ern die ersten „Kirchen“ und „Missionen“ im deutschsprachigen Raum aufbaute und sich in Europa ausbreitete,

hatte Neil Armstrong kurz zuvor als erster Mensch den Mond betreten. Jeder kleine Junge wollte damals Astronaut werden, Raumschiffe – so die Illusion – sollten in naher Zukunft ganz normale Transportmittel werden. Nichts schien so verlockend wie das Weltall. Hubbard sprang mit seiner Theorie von den Thetanen, die aus fernen Galaxien auf die Erde verbannt worden waren, genau auf diesen Zug auf. Er erkannte den Zeitgeist und wusste, was die Menschen begeisterte.

Meine Damen und Herren, in der Öffentlichkeitsarbeit kommt es darauf an, soziale und psychologische Strukturen zu verstehen, und sie damit für sich nutzbar zu machen. Deshalb ist es auch für die Öffentlichkeit von Psychogruppen elementar, die Zeichen der Zeit zu verstehen und auf sie zu reagieren. Psychogruppen leben davon, Menschen zunächst begeistern und dann fesseln zu können. Je stärker aktuelle Themen Begeisterungsstürme auslösen, desto einfacher lassen sich Menschen damit fesseln.

 

Ich möchte Ihnen heute verschiedene Strategien der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung von Psychogruppen darstellen. Mein Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf der Öffentlichkeitsarbeit von Scientology. Das liegt daran, dass Scientology die mit Abstand wendigste und raffinierteste PR-Maschinerie betreibt.

Dabei wird Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, auffallen, dass jeder Psychokult sowohl auf verschiedene Strategien zurückgreift, als auch einzelne Strategien phasenweise stärker nutzt als andere.

Ich habe ja bereits erwähnt, dass Scientology äußerst findig in der Gestaltung ihrer Öffentlichkeitsarbeit ist. Außerdem ist sie unglaublich anpassungsfähig und hat sich mittlerweile ein breites Repertoire an verschiedenen Werbe- und Kommunikationsstrategien zugelegt.

Scientology ist damit das Paradebeispiel für Öffentlichkeitsarbeit einer Psychogruppe: Die Organisation hat nicht nur ein feines Gespür für die gesellschaftlichen und psychologischen Entwicklungen, sondern reagiert auch auf Entwicklungen in Politik und Justiz – und als stets am Rande der Legalität agierende Gruppe muss sie das auch.

 

Die Trickkiste der Psychogruppen bei der Öffentlichkeitsarbeit ist groß. Besonders die Scientologen haben sich aus ihr bedient. Sie sind die Meister des – wie ich ihn nenne – „Not-Hilfe-Ansatzes“. Dabei wird Profit aus Notsituationen geschlagen, indem sich die Gruppe als uneigennütziger Helfer oder Retter darstellt.

  1. Der Not-Hilfe-Ansatz

Vor allem Scientology nutzt das Leid und die Not auf der Welt aus, um Menschen in ihren Bann zu ziehen. An bzw. um Katastrophenorte und Unglücksstellen scharen sich die „Ehrenamtlichen Geistlichen“. Ihre Aufgabe ist es, Menschen in den verschiedensten Situationen beizustehen.

Egal ob das Alltagsleben Probleme bereitet, Alkohol und Drogen die Gesundheit belasten oder furchtbare Katastrophen das Leben bedrohen. Letztere sind von den Scientologen jedoch bevorzugte Wirkungsstätten, denn dort ist der Medienrummel garantiert.

So bevölkerten die „Ehrenamtlichen Geistlichen“, als eine der Frontgruppe der Scientology-Organisation, schon die Absturzstelle der Flugzeuge am Ground Zero, bot den Eltern der Geiseln von Beslan ihre vermeintliche Hilfe an und sorgte sich angeblich aufopferungsvoll um die Tsunami-Überlebenden in Banda Aceh.

An all diesen Orten hat sich Furchtbares ereignet. Innerhalb kürzester Zeit wimmelte es von „Ehrenamtlichen Geistlichen“. Dass sie vor Ort oft mit wahren Helfern – wie Ärzten, Rotem Kreuz oder Psychologen – verwechselt wurden, hat die Scientologen natürlich nicht gestört. Im Gegenteil: In den Vereinigten Staaten lief einige Tage nach dem 11. September ein telefonisches Seelsorge-Angebot, dass zwar mit dem Namen eines renommierten Seelsorge-Verbands warb, tatsächlich aber von Scientology betrieben wurde.

Hilfesuchende erhalten so nicht den benötigten Beistand, sondern werden erneut Opfer, weil Scientology sie hinters Licht führt. Dramatische Momente, in denen die Menschen besonders verletzbar sind, werden dabei schamlos ausgenutzt.

Für Scientology ist die Wirkung dieser Katastrophen-Einsätze enorm. Sie profitieren auf dreierlei Weise.

–          Erstens sind die Hilfesuchenden potentielle neue Scientology-Opfer. Auch wenn sie unter Umständen wenig Geld haben, tun sie doch alles, um die gerade erlebten, furchtbaren Ereignisse zu verarbeiten. In ihrer Situation sind sie schnell bereit, jemandem zu vertrauen und zu bezahlen, der verspricht ihr Leid zu lindern.

–          Zweitens verdient Scientology auch an den bereits angeheuerten „Ehrenamtlichen Geistlichen“. Denn nicht genug damit, dass sie ehrenamtlich für die selbsternannte Religion tätig sind – nein – sie dürfen auch noch teure Kurse bezahlen, die ihnen angeblich helfen, ihre freiwilligen Aufgaben noch besser auszufüllen.

–          Und drittens profitiert Scientology ganz erheblich von der Ausstrahlungswirkung solcher schnellen, ehrenamtlichen und angeblich uneigennützigen Helfer. Für das Bild der Scientology-Organisation in der Öffentlichkeit sind solche Einsätze Gold wert. Die mediale Aufmerksamkeit garantiert die erwünschte Wirkung beim Publikum: Verwüstung, Leid und große, traurige Kinderaugen – das sind die Bilder, die nach Katastrophen im Fernsehen oder in der Zeitung gezeigt werden. Jeder reagiert ganz automatisch mit Mitgefühl. Wir schauen auf zu Menschen, die in solchen Notsituationen helfen. Wir honorieren ihren Einsatz. Und ehe wir uns versehen, schleicht sich – ganz langsam – eine Akzeptanz gegenüber den in gelb gekleideten „Ehrenamtlichen Geistlichen“ ein. So hat Scientology schon halb gewonnen mit ihrer äußerst raffinierten PR.

Neben den „Ehrenamtlichen Geistlichen“ gibt es noch eine weitere Frontgruppe, die sich des Not-Hilfe-Ansatzes bedient: die „Jugend für Menschenrechte“. Sie ist jedoch im Unterschied zu den „Ehrenamtlichen Geistlichen“ auf den ersten Blick nicht direkt als Stoßtrupp der Scientologen zu erkennen. Tatsächlich muss die „Jugend für Menschenrechte Deutschland“ sogar als Tarnorganisation bezeichnet werden. Weder in den Statuten noch auf der deutschen Homepage findet man auch nur den kleinsten Hinweis auf die Zusammenarbeit mit Scientology. Erst, wenn man die internationale Seite im Internet betrachtet, fällt die Verbindung zur Scientology-Organisation ins Auge.

Die „Jugend für Menschenrechte“ setzt sich, offiziell zumindest, für Menschenrechte ein und zielt besonders auf junge Menschen und Kinder ab. Gutgläubige Kinder und idealisierende Jugendliche engagieren sich in dieser Gruppe ohne deren wahren Hintergrund zu kennen.

Für sie steht im Vordergrund, sich für eine gute Sache einzusetzen. Dass sie dabei von Scientology instrumentalisiert werden, merken sie – wenn überhaupt – erst zu spät.

Genau wie mit den „Ehrenamtlichen Geistlichen“ unternimmt die Scientology-Organisation mit der „Jugend für Menschenrechte“ den Versuch, ihre Marke Scientology aufzuwerten. Da die „Jugend für Menschenrechte“ jedoch nur im Verborgenen mit Scientology zusammenhängt, handelt es sich hierbei um latente Öffentlichkeitsarbeit – ganz subtil wird an der Wahrnehmung der selbst ernannten Kirche gearbeitet.

Doch auch wenn der direkte Zusammenhang fehlt: Scientology profitiert von dem Positiv-Bild der „Jugend für Menschenrechte“.

Die Verbindung von den „guten Taten“ der vermeintlichen Menschenrechtsschützer und den Lehren von L. Ron Hubbard funktioniert nämlich trotzdem. Viel unbewusster und heimlicher als bei den „Ehrenamtlichen Geistlichen“ verläuft damit die Markenprägung von Scientology über die „Jugend für Menschenrechte“.

Gute Öffentlichkeitsarbeit ist immer daran erkennbar, dass der normale Bürger nicht merkt, dass er beeinflusst wird. Dass er nicht erkennt, dass seine Beziehung zu einem Produkt oder einer Dienstleistung stetig positiver wird. Dass er nicht sieht, mit welchen Mitteln das neue Produkt-Bild in seinen Kopf gebrannt wird. Öffentlichkeitsarbeit ist damit die fortgeschrittene Variante der Eigenwerbung.

Scientology hat sich darin – leider, muss ich an dieser Stelle nochmals sagen – nicht nur spezialisiert, sondern auch professionalisiert.

Beim Zweiten Ansatz, den ich Ihnen vorstellen möchte, ist Scientology zwar ebenfalls engagiert, aber aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass auch viele andere Gruppen diesen Ansatz für sich nutzen – wenn auch weniger aggressiv.

Der zweite Ansatz ist der Politik und Lobby-Ansatz

Viele Psychokulte agieren am Rande der Legalität. Deshalb laufen sie – aus ihrer Sicht – immer wieder Gefahr durch Gesetze, Verfügungen oder Urteile in ihrem Handlungsspielraum eingeengt zu werden. Deshalb sind sie permanent bemüht ihren Handlungsspielraum zu verteidigen und auszubauen. Hier nur einige Beispiele:

–          Scientology kämpft in Deutschland seit Jahren um die Anerkennung als Religionsgemeinschaft,

–          die Mun-Sekte engagiert sich seit über einem Jahrzehnt dafür, dass das Einreiseverbot ihres Sektengründers Reverend Mun aufgehoben wird,

All diese Anliegen sind nur auf politischer oder juristischer Ebene zu erreichen. Jede Psychogruppe muss daher also wie ein Verband Lobbyarbeit leisten. Sie müssen Politiker für sich gewinnen. Und sie müssen überzeugen.

Seitdem ich mich politisch mit der Thematik Psychogruppen befasse, kommen auch immer wieder Bürger und Mitglieder solcher Organisationen zu mir. Die Mitglieder der Psychokulte, die in mein Hamburger Wahlkreisbüro oder in mein Bundestagsbüro kommen, haben zwar meistens vergleichsweise harmlose Anliegen. Politische PR für ihre Psychokulte betreiben sie trotzdem.

Mit großer kritischer Distanz habe ich zum Beispiel persönliche Gespräche mit einem Mitglied der Vereinigungskirche geführt. Seit die Union in Regierungsverantwortung ist, schien er große Hoffnung zu haben, ich könne mich für die Aufhebung des Einreiseverbots von Reverent Mun und seiner Frau nach Deutschland einsetzen.

Diese Vorgehensweisen, bei denen Politiker direkt mit einem Anliegen angesprochen werden, halte ich für vergleichsweise harmlose Psychogruppen-PR. Sehr viel kritischer wird es, wenn Scientology ihre neue Hauptstadtrepräsentanz als ideale Möglichkeit sieht, um – ich zitiere – „die nötigen Zufahrtsstraßen in das deutsche Parlament zu bauen“. So berichtete jüngst die Berliner Zeitung aus einem internen Papier der Scientology-Organisation.

Ganz eindeutig sind die Zentralen der Psychogruppen immer Repräsentanz, Machtsymbol und – in diesem speziellen Fall auch – das Bekenntnis, sich im politischen Berlin einen Platz suchen zu wollen. Doch welche Brisanz dieses interne Scientology-Papier hat, wird erst bei näherer Betrachtung der bisherigen scientologischen Infiltrierungsversuche der Politik klar.

Mit der Errichtung der Hauptstadt-Zentrale versuchen sie nämlich nicht zum ersten Mal, politischen Einfluss geltend zu machen.

Anfang der 1990er geriet die Hamburger FDP in die Krise, weil Scientologen versucht hatten, die Partei zu infiltrieren. Kleine Parteien sind dabei natürlich stärker als mitgliederstarke Parteien in der Gefahr, von anderen Gruppen unterwandert und übernommen zu werden.

Die FDP hat – übrigens genau wie die CDU und SPD – seitdem eine Unvereinbarkeitsklausel in ihre Satzung aufgenommen.

Wer Mitglied in einer dieser drei Parteien ist, darf nicht gleichzeitig Mitglied bei Scientology sein. In der Hamburger FDP führte diese im Volksmund oft Scientology-Klausel genannte Auflage zu mehreren Parteiausschlüssen.

Sie sehen also meine Damen und Herren, Scientology nimmt auch hier eine Vorreiter-Stellung ein. Die Organisation weiß ganz genau, wie sie die Politik latent infiltrieren und auf sie Einfluss nehmen kann. Mit der Scientology-Klausel konnten sich die Parteien zwar einigermaßen absichern, die Gefahr für die Politik im Allgemeinen ist jedoch noch nicht gebannt.

 

Lassen Sie mich an dieser Stelle einen kleinen Exkurs machen, der mir als Politikerin im Familienausschuss besonders wichtig ist.

Die Scientology-Klausel steht aus zwei Gründen immer wieder in Frage. Sowohl ihre Wirksamkeit als auch ihre Rechtmäßigkeit sind teilweise umstritten. Zur Wirksamkeit muss gesagt werden, dass es für bekennende Scientologen kein Problem darstellt, ihre Mitgliedschaft in dieser Psychogruppe zu leugnen. Sehr wohl Probleme würde es ihnen bereiten, die Lehren von L. Ron Hubbard abzulehnen. Es ist also zu überlegen, wie die Scientology-Klausel in Verträgen oder Aufnahmeanträgen untergebracht und formuliert werden kann, damit sie Wirkung zeigen kann.

Ich erwähnte gerade Verträge, die Scientology-Klauseln beinhalten können. Tatsächlich hat sie sich in Arbeitsverträgen des öffentlichen Dienstes an vielen Orten durchgesetzt. Selbst das Bundesarbeitsgericht hat bestätigt, dass solche Ausschluss-Klauseln rechtens sind.

Und an dieser Stelle kommt auch die Familienpolitikerin in mir durch. Als wir nämlich im letzten Jahr nach zähen Verhandlungen im Familienausschuss endlich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Bundestag verabschiedet hatten, sah ich mich plötzlich einem alten Problem gegenüber. Schließlich verbietet das neue Gesetz noch einmal ausdrücklich die Benachteiligung in der Arbeitswelt aufgrund der Weltanschauung.

Deshalb fragte ich mich: Ist die Scientology-Klausel überhaupt mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vereinbar? Dürfen solche Ausschlussformulierungen überhaupt noch in Arbeitsverträgen oder Parteisatzungen auftauchen?

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen, als man mir versichert hat, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz an der bestehenden Rechtssprechung zur Scientology-Klausel nichts ändern wird. Es wird vor allem darauf ankommen, ob Scientology zuerst als eine Weltanschauung oder als Gewerbe treibende Organisation eingestuft wird. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu eindeutig für letztere Option entschieden, so dass die Scientology-Klausel zumindest im Arbeitsrecht meines Wissens nach weiterhin zulässig ist.

Mit Rechtsstreitigkeiten sind wir auch wieder zurück beim „Politik-Lobby-Ansatz“. So häufig Psychogruppen auf die ein oder andere Art Einfluss auf die Politik zu nehmen versuchen, so oft prozessieren sie auch für mehr Anerkennung, gegen ihre Gegner und für mehr Rechte. Dabei wissen sie eine Niederlage in einem Rechtsverfahren fast genauso gut für ihre PR-Zwecke auszunutzen, wie einen gewonnenen Prozess.

Die Vereinigungskirche beispielsweise verbreitet über ihre Homepage die Information, das Einreiseverbot für Sektengründer Mun würde möglicherweise in Kürze aufgehoben. Zwar gab es in der Tat ein Gerichtsurteil, nachdem die Bestätigung des Verbots zurückgenommen werden muss. Die Entscheidung steht aber jetzt erneut dem Oberverwaltungsgericht in Koblenz zu. Eine endgültige Entscheidung liegt daher also noch nicht vor.

Aber es geht noch weiter:

Die Vereinigungskirche nutzt auf ihrer Homepage auch die Pressetexte der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, entnimmt aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und lässt damit die Evangelische Zentralstelle wie einen Fürsprecher der Vereinigungskirche erscheinen.

Ähnliche Verwirrspielchen unternimmt auch Scientology. Sie stellt bewusst Sachverhalte falsch oder verkürzt dar, um den Anschein zu erwecken, die Organisation handele ausschließlich nach den Gesetzen.

Auch das ist subtile Öffentlichkeitsarbeit von Psychogruppen.

 

Beim dritten Ansatz der Öffentlichkeitsarbeit für Psychokulte geht es um den Promi- und Führer-Kult, den viele Psychogruppen ausnutzen. Charismatische oder prominente Personen spannen sich – oder lassen sich – vor den Wagen vieler Psychogruppen spannen.

Charisma ist ein äußerst wirksames Element der PR. Persönlichkeiten emotionalisieren, polarisieren und sie verbinden.

Für die Darstellung und Selbstinszenierung sind daher charismatische Führungspersönlichkeiten ein unschätzbarer Wert. Denken Sie beispielsweise an L. Ron Hubbard für Scientology oder Sun Myung Mun für die Vereinigungskirche. Es sind oder waren lange Zeit ihre Personen, die der jeweiligen Psychogruppe einen solchen Zulauf bescherten.

Für Kulte, die keine charismatische Führungspersönlichkeit haben – oder nicht mehr haben – gibt es immer noch die Möglichkeit sich mit fremden Federn zu schmücken. Prominente Mitglieder einer Psychogruppe können als ideale Werbeträger und Kommunikatoren fungieren.

Da Scientology nach Hubbards Tod über keine charismatische Führungsperson mehr verfügt, greift sie ebenfalls auf prominente Mitglieder zurück. Scientology ist mit diesem Ansatz äußerst erfolgreich.

Schauspieler wie Tom Cruise, John Travolta oder Kirstie Alley machen keinen Hehl aus ihrer Mitgliedschaft bei den Scientologen – im Gegenteil. Diese Tatsache wird in ihre persönlichen PR-Strategien eingearbeitet und bei vielen Gelegenheiten erwähnt. Ganz gleich ob eine Hochzeit ansteht, die dann natürlich „scientologisch“ gehalten wird, oder ob Tom Cruise Vater wird und die Frage diskutiert, ob seine Tochter „scientologisch“ erzogen wird.

Bei nahezu jeder Pressemeldung über ihn, wird erwähnt, dass er sich zu Scientology bekennt. Mit einem Star seines Formates kann sich die Organisation einer Positiv-Wirkung auf ihr Image sicher sein.

Für Fans von Tom Cruise wird die Tatsache, dass ihr Idol Mitglied in dieser Psychogruppe ist, dazu führen, dass mögliche Negativ-Assoziationen teilweise oder vollständig getilgt werden. Die Vorbildfunktion des Schauspielers geht auf die Scientology-Organisation über.

Meine Damen und Herren, ich gebe zu, für Deutschland funktioniert dieses Prinzip nur sehr begrenzt. Natürlich haben Tom Cruise, John Travolta, Kirstie Alley und Co auch Fans in Deutschland. Ihre Präsenz und damit auch ihre Ausstrahlungskraft sind jedoch nicht genauso stark wie in den Vereinigten Staaten.

In Deutschland fehlt es Scientology – aber auch anderen Psychogruppen – fast völlig an prominenten und beliebten Stars. Der einzige, mir bekannte deutsche Schauspieler, der sich offiziell zu Scientology bekennt, ist Franz Rampelmann.

Er spielt in der „Lindenstraße“ den Fiesling Olaf Kling. Ein großer Nachteil für Scientology. Denn wie sollen die Scientologen von einem unsympathischen Filmcharakter profitieren?

Die Rolle von Herrn Rampelmann ist tatsächlich derart negativ angelegt, dass kein positiver Effekt für das Bild von Scientology dabei abfallen könnte. Zudem ist Franz Rampelmann auch nur dem begrenzten Publikum dieser deutschen Soap-Opera bekannt. Bei einem Vergleich mit Tom Cruises oder John Travoltas Bekanntheitsgrad würde Rampelmann schlecht abschneiden.

Dennoch: an öffentlichen Scientology-Veranstaltungen nimmt Rampelmann teil. Sollte er eines Tages sympathischere Fernsehrollen spielen, würde sich das sicher auch positiv auf das Image von Scientology auswirken.

Bisher ist das nur Spekulation. Aber ich kann Ihnen versichern, dass Scientology auch für diesen Fall gewappnet sein wird und in kürzester Zeit ihre Strategie anpassen könnte. Denn das ist das Markenzeichen der Werbe- und Öffentlichkeitsarbeit der Gruppe: Wendigkeit.

In den letzten Jahren gab es zwei große Einschnitte in der Öffentlichkeitsarbeit von Scientology. Ich werde an dieser Stelle nur ganz knapp darüber berichten. Je nach politischem und gesellschaftlichem Thema geht Scientology mehr oder weniger aggressiv vor.

In den letzten Monaten, vielleicht schon in den letzten Jahren, aber spätestens mit der Eröffnung der neuen Zentrale in Berlin ist die Scientology-Organisation zurückgekehrt auf altbekannte Wege der aggressiven Mitgliederwerbung und Öffentlichkeitsarbeit.

Lange Jahre davor, waren alle ihre Bemühungen leise und fast heimlich. Schließlich war Mitte der 1990er eine große Aufklärungskampagne durchs Land gegangen, die das Image von Scientology stark angeschlagen hatte.

Etwa zehn Jahre fand Scientology nur noch abseits der öffentlichen Wahrnehmung statt. Sie war verschwunden von öffentlichen Plätzen und Orten. Die Bevölkerung war aufgeklärt – die Gefahr schien gebannt.

Aber Scientology hat nicht geschlafen. Sie haben in dieser Zeit abseits der Öffentlichkeit weitergearbeitet. Haben subtilere Methoden entwickelt, wie sie ihr angeschlagenes Image wieder aufbauen konnten – in dieser Zeit setzte Scientology stark auf Frontgruppen, die nicht so eindeutig mit ihr in Verbindung gebracht wurden. Viel subtiler als bisher, viel heimlicher als bisher und damit auch viel gefährlicher als bisher.

Scientology lässt auch die Zeit für sich arbeiten. Und offensichtlich funktioniert das: Viele Bundesländer haben die Beobachtung durch den Verfassungsschutz über die Scientology-Organisation eingestellt.

Das Land Berlin verlor sogar einen Rechtsstreit über den Einsatz von V-Männern bei Scientology. Darauf brach auch Berlin die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ab.

Scientology wähnt sich jetzt offenbar sicher und gestärkt und tritt erneut offensiv auf. Besonders in Berlin ist das in den letzten Monaten ganz deutlich geworden. Neben der neuen Scientology-Zentrale stehen an den verschiedensten prominenten Plätzen der Stadt die gelben Scientology-Infozelte und der bekannte Stress-Test sowie das „berühmte“ E-Meter werden angeboten.

Ich bin erstaunt, mit welcher Blauäugigkeit der regierende Berliner Senat diesem Treiben hilflos gegenübersteht.

 

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich die wesentlichen Punkte noch einmal zusammenfassen:

Die Öffentlichkeitsarbeit von Psychogruppen ist sehr breit gefächert und oftmals fast so professionell, wie die von einem Verband oder einem großen Unternehmen. Psychogruppen müssen PR beherrschen wie ein Unternehmen, Lobbyarbeit leisten wie ein Verband und gleichzeitig die Prominenz von TV-Stars oder Showmastern aufweisen. Permanent versuchen sie – auf die beschriebene subtile Art und Weise – ihr Bild in der Öffentlichkeit zu verbessern.

Besonders raffiniert und geschickt geht Scientology mit den Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit um. Sie verstehen es, an ihrem Image zu arbeiten. Gehen dafür aber auch über die sprichwörtlichen Leichen.

Gerade weil sie auf Kinder, Jugendliche und Wehrlose abzielen, ist diese Art der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung besonders unmoralisch. Schamlos wird die Schwäche anderer ausgenutzt und für die eigenen Zwecke missbraucht. Hilfesuchende werden in die Irre geführt und finanziell geschröpft.

Meine Damen und Herren, wenn vor 50 Jahren Weltraumvisionen rund um teuflische Fürsten die Menschen in ihren Bann rissen und Scientology so ihren Zulauf begründen konnte, sind es heute ganz andere Themen, die diem Menschen beschäftigt.

Vielleicht besetzen Gruppen wie Scientology bald Umweltthemen, verbreiten ihre Botschaften nur noch über dunkle Internet-Kanäle oder kaufen sich in das Regierungsamt eines Entwicklungslandes ein.

Wir wissen nicht, wie wohl die PR-gefährlichste Psychogruppe Scientology in Zukunft handelt. Wir wissen nur, dass sie weiter äußerst wendig und anpassungsfähig sein wird. Daher müssen wir die Aktivitäten unbedingt weiter vom Verfassungsschutz beobachten lassen und gesetzliche Regelungen angehen.

Vielen Dank!