Pierre Le Coz

Entwicklung des Coaching in Frankreich: Ein neues Eingangstor für das Sektierertum

 

Pierre Le Coz, Professor der Philosophie an der Universität Aix-Marseille II (Frankreich),

Mitglied des Nationalen Beratenden Ethikkomitees

 

Mehr als jemals zuvor sind die Verkäufer des Wohlbefindens auf dem französischen Markt der psychischen Leiden überall anwesend. Angesichts der steigenden sozialen Nachfrage nach Hilfe bei der Entscheidung und dem psycho-affektiven Unterhalt bieten immer mehr Seelsorger ihre Dienste der psychischen Fürsorge an. Zugunsten der neuen Informationstechnologien bieten sie verschiedene Lehrgänge und Seminare an, um das Vertrauen auf sie und die Macht über die anderen zu lernen.

Jedoch haben sich ihre Methoden, sich darzustellen, im Laufe dieser letzten Jahre entwickelt. Sie wissen, dass Ausdrücke wie „Guru“, „spiritueller Meister“, „Führer“, „Erwecker“, usw. das Misstrauen und den Verdacht in der öffentlichen Meinung erregen. In Frankreich haben bis zu einem neueren Datum der intellektuelle Betrug und die mentale Manipulation als „trojanisches Pferd“ eine wohlklingende, neutrale und objektive Bezeichnung gefunden: die des Psychotherapeuten. Folglich wurde das Konzept der „Psychotherapie“ seit 2003 durch französische Parlamentarier nach und nach diskreditiert, die von dieser Praktik der psychologischen Hilfe verlangten, dass sie ihre Berechtigungsscheine vorlege.

Der französische Staat erfährt vielfachen Widerstand gegen diesen Vorgang, da derzeit ein Gesetz vorbereitet wird, das die psychotherapeutischen Praktiken streng umreißt. Es bleibt davon nichts weniger, als dass der öffentlichen Meinung bewusst wurde, dass die Bezeichnung „Psychotherapeut“ als Alibi für „charismatische“ Persönlichkeiten mit undurchsichtigen Absichten dienen könnte. Anlässlich der parlamentarischen Debatten ist es allen klar geworden, dass dieser Beruf mit schlecht begrenztem Umriss für sich keinen akademischen Status beanspruchen konnte und niemals die Zustimmung einer öffentlichen Institution erhielte

Da die Bezeichnung „Psychotherapeut“ von nun an der Vorsicht unterworfen sein wird, wird sie immer weniger von selbsternannten Seelenheilern verwendet. Dennoch sind die ethischen Probleme, die mit der gefühlsmäßigen Ausbeutung der Verletzlichkeit von Personen verbunden sind, deshalb noch nicht gelöst. Die „neuen religiösen Bewegungen“ (wie man sie in Frankreich schamhaft nennt) verlassen nach und nach das Gebiet der Psychotherapie, um im Gebiet des Coaching zu investieren. Als Praxis der mentalen Konditionierung, dazu bestimmt, das energetische Potential der Individuen zu maximieren, entwickelt sich das Coaching derzeit auf allen Gebieten des beruflichen und privaten Lebens.

Man glaubte in der Neunzigerjahren, es handle sich um eine einfache Modeerscheinung. Aber heute muss man sich zur Offensichtlichkeit entschließen: das Coaching hat in unserer Kultur Wurzeln geschlagen. Nach dem Sport und dem Geschäft gewinnt es die Institutionen, die Sitten und das tägliche Leben. Sicher haben die Coaches die Gepflogenheit, zu versichern, sie betrieben keine „Psychotherapie“, um ihr Klientel zu beruhigen. Die französische Coaching-Gesellschaft besteht übrigens in ihrem „Kode der Berufspflichten“ auf der Notwendigkeit für den Coach, nicht in den Fehler der psychotherapeutischen Beziehung zu fallen. Es genügt jedenfalls, sich ihre Websites anzusehen, um zu verstehen, dass die Coaches ihre Beziehung um einen goldenen Preis verkaufen, indem sie sich in die Intimität des Privatlebens einmischen. Websites des „spirituellen Coaching“ beginnen zu sprießen. Wir erleben gleichzeitig ein Phänomen der Erneuerung der sektiererischen Rhetorik, die – ohne die klassische mystisch-östliche Terminologie völlig aufzugeben – immer mehr aus dem Vokabular der lexikalischen Bereiche entlehnt, die aus den Sprachen des Sports, des Managertums und des Kognitivismus hervorgegangen sind.

Das Coaching nimmt also die Strategie des New Age wieder auf, die aus einer Kombination einer „holistischen“ Version der Gesundheit, der Vielfalt des traditionellen Wissens und gegenwärtigen psychologischen Techniken besteht. Zum Beispiel kann man die Weiterbildungsprogramme des gegenwärtigen spirituellen Coaching auf einer französischen Website aufzählen:

  • Neurolinguistische Programmierung (NLP)
  • Kognitive Wissenschaft (Lerntechnik)
  • Kreativer Zugang (kreativer Ausdruck)
  • Technik der Kreativität ( Methoden der Problemlösung)
  • Gefühlsmäßiger Zugang (Grundsatz der Verantwortlichkeit durch die Gefühle)
  • Körperlicher Zugang (Massagen, Körperharmonie, Körperspiegel)
  • Atemtechniken (Rebirth)
  • Entspannungstechniken (Meditation, Abmagerung durch Hypnose)
  • Mentale Techniken (Selbsthypnose, kreative Visualisierung)
  • Zugang durch Tarot, Astrologie, Numerologie)
  • Zugänge in Form von Fragebögen (kognitive Grundsätze, Benützung des Gehirns)
  • Zugang in Form von „Bio-Psychologie“ oder „Bio-Personalität“

Indem der Körper und der Geist, das Private und das Berufliche, der geschäftliche Erfolg und der Sinn des Lebens miteinander verschmolzen werden, ist die Praxis des Coaching per Definition „holistisch“. Sie stellt sich als eine neue Quelle von psychischen und spirituellen Mächten dar, die dem Individuum erlauben, sich an die harten Notwendigkeiten der sozialen Realität anzupassen, indem man lernt, die anderen zu beeinflussen

Das Coaching zieht Nutzen aus anstrengenden Notwendigkeiten der Leistung und des Wettbewerbs, auferlegt durch den unbändigen Rhythmus des Lebens, dem eine große Zahl unserer Zeitgenossen unterworfen ist. In einer Welt, die von einer diffusen Angst beherrscht wird, verbunden mit einem Klima der Unsicherheit, welche die Transformation des Planeten in einen gigantischen Wirtschaftsmarkt begleitet, stellt es das neue Wahlgebiet der Sekten dar.

Auf der Grundlage von Analysen, die wir bereits bezüglich dieser Frage durchgeführt haben[1], versuchen wir eine Übersicht über die Gefahren zu geben, denen uns die Form der psychischen Vereinnahmung aussetzt, die durch dieses neue Management der Seelen ausgeübt wird.

[1] L’empire des coachs. Une nouvelle forme de contrôle social (avec Roland Gori), Albin Michel, Paris, 2006.

[Das Reich der Coaches. Eine neue Form der sozialen Kontrolle (mit Rolan Gori), Albin Michel, Paris, 2006.]