Sekten und Esoterik: Neue Herausforderungen für die Zivilgesellschaften in Europa

Bericht über die Tagung

Sekten und Esoterik: Neue Herausforderungen für die 

Zivilgesellschaften in Europa 

veranstaltet von der

Arbeitsgruppe Scientology der Behörde für Inneres 

der Freien und Hansestadt Hamburg

und der

Europäische Föderation der Zentren zur Forschung und Information über das Sektenwesen

am 28. April 2007 in der

Handwerkskammer, Holstenwall 12, 20355 Hamburg

Vorwort

Diese Tagung der FECRIS, zum ersten Mal im größten und bevölkerungsreichsten Land der Europäischen Union und mit der bisher größten Teilnehmerzahl abgehalten, versuchte, einer Reihe von Ansprüchen zu genügen:

 

  • wie im Vorjahr in Brüssel das Hauptaugenmerk auf die Gefährdung von Demokratie und Menschenrechte zu richten,
  • neuere Entwicklungen der Sektenszene zu beleuchten,
  • Sprecher aus einer möglichst große Zahl von Ländern, besonders jener aus Mittel- und Osteuropa, zu Wort kommen zu lassen,
  • dennoch dem Gastgeberland Deutschland und unserem Hauptsponsor Frankreich eine gewisse Vorrangstellung einzuräumen,
  • und die Bezüge des Sektenproblems zu nationalen und internationalen Institutionen aufzuzeigen.

 

Dass dabei gewisse Kompromisse nötig waren, versteht sich von selbst. Wir hoffen jedoch, dass die Teilnehmer aus dieser Tagung viele Impulse für ihre weitere Arbeit mit heim nehmen konnten. Das Interesse war jedenfalls groß, was die insgesamt etwa 140 Teilnehmer aus 22 Ländern bestätigten, darunter sogar Gäste aus Kanada, aus den Vereinigten Staaten und aus Israel. Eine besondere Ehre für uns war, dass der Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg, Herr Udo Nagel, persönlich die Tagung eröffnete.

Dass im Tagungsthema zu ersten Mal der Begriff „Esoterik“ aufscheint, liegt daran, dass dieses im steigenden Maße populär werdende und bisher meist als harmlos betrachtete Gedankengut die Gefahr in sich birgt, von Gurus aller Art als ideologische Basis ihres totalitären Einflusses benützt zu werden. Hat sich die Vorstellung, mit dem Fortschritt von Wissenschaft und Technik werde alles machbar, als trügerisch erwiesen, so scheint nun an deren Stelle der Glaube zu treten, auf spirituelle Weise alles in den Griff bekommen und damit Jahrtausende von Menschheitserfahrung über Bord werfen zu können. Ein „Paradigmenwechsel“ auf diesem Gebiet würde unweigerlich Realitätsverlust bedeuten.

 

Es ist wichtig, dass nationale und internationale Institutionen gewahr werden, dass hier die Menschenrechte und die Demokratie auf dem Spiel stehen. Auch die Zivilgesellschaft ist herausgefordert, sich gegen Totalitarismen zu verteidigen.

Dem Lockruf der Sekten wird nur der widerstehen können, der ihre Methoden kennt. Das ist für den Durchschnittsbürger ebenso wichtig wie für Fachpersonal im Gesundheits-, im Bildungs- und im Rechtswesen. Vor allem muss erkannt werden, wenn Sekten mit harmlos erscheinenden Angeboten ihren Fuß in die Türe setzen, um dann später ihre eigentlichen Ziele leichter ansteuern zu können.

FECRIS wird weiterhin als Anwalt der Opfer und als Warner tätig sein und dazu den Kontakt mit nationalen und internationalen Institutionen suchen. Ein erster Schritt wurde am 28. Juni 2007 beim Studientag der INGO-Konferenz des Europarats in Strassburg gemacht, mit dem Thema: „Die sektiererischen Abwege: eine Herausforderung an die Demokratie und an die Menschenrechte.“

Zufällig beschloss die Parlamentarische Versammlung des Europarats gerade einen Tag später, am 29. Juni 2007, die Empfehlungen 1804 und 1805 [1], betreffend „Staat, Religion, Säkularität und Menschenrechte“ beziehungsweise „Blasphemie, religiöse Beschimpfungen und Hasspredigten gegen Personen auf Grund ihrer Religion“. Diese Empfehlungen stehen im Einklang mit unseren Bemühungen. Am 24. und 25. September nahm eine Delegation der FECRIS an der jährlichen Human Dimension – Konferenz teil, die von der OSCE / OSZE[2] in Warschau veranstaltet wurde und bei der wir uns im Plenum zu Wort meldeten und zwei „side events“ zur Frage der Menschenrechte und fundamentalen Freiheiten veranstalteten.

 

Die Texte in dieser Broschüre wurden uns, wenn nicht anders vermerkt, von den Sprechern kostenlos als für die Veröffentlichung bestimmte Manuskripte zur Verfügung gestellt, wofür wir ihnen herzlich danken. Ebenso danken wir der Arbeitsgruppe Scientology [3] der Freien und Hansestadt Hamburg unter der Leitung von Frau Ursula Caberta für die gute Zusammenarbeit bei der Vorbereitung und Durchführung der Tagung und für die Beteiligung an den Kosten, sowie der Handwerkskammer für die zu günstigen Bedingungen zur Verfügung gestellten Räume und die ausgezeichnete Verpflegung, der Firma Simconsult für die hochqualifizierte Simultandolmetschung und der Firma Brähler für die dazu nötigen technischen Einrichtungen. Dank gebührt vor allem auch der französischen Regierung, die durch ihre Subvention unsere Arbeit überhaupt erst ermöglicht, sowie der MIVILUDES [4] für ihre moralische Unterstützung und ihre wohlwollenden Ratschläge. Dank sei schließlich allen Personen, die in irgendeiner Weise and der Vorbereitung und Durchführung dieser Tagung mitgewirkt haben.

 

 

 Friedrich Griess

Vorsitzender

 

Mireille Degen

Generalsekretärin

 

 

Inhalt

 

NAGEL Udo – Innensenator der Stadt Hamburg

Begrüßung

 

GRIESS Friedrich – Mitglied der GSK [5], Vorsitzender der FECRIS, Österreich

Einleitung

 

BLUMENTHAL Antje – Mitglied des Deutschen Bundestags

Die Öffentlichkeitsarbeit der Psychokulte

 

KONOVALOV Alexander – bevollmächtigter Vertreter des Präsidenten von Russland im Bundesdistrikt Wolga

Allgemeine Voraussetzungen für das Auftreten sektiererischer und neuheidnischer Praktiken im modernen Russland [6]

 

CABERTA Ursula – Arbeitsgruppe Scientology, Hamburg (gemeinsam mit HANDL Wilfried – ehemaliger Scientologe, Österreich , und BEATTY Chuck – ehemaliger Scientologe, USA)

Staatliche Arbeit zum Psychomarkt, Beispiel Scientology

 

FROMM Rainer – Journalist und Filmemacher, Deutschland

Die schwarz-okkulte Jugendszene: Von der Gruftibewegung bis zum NS-Black-Metall

 

TRETYAKOVA Victoriya – Ehrenanwältin der Ukraine, Kandidatin der Rechtswissenschaft, Associate Professor

Notwendigkeit einer gemeinsamen Aktion des Staates und der Gesellschaft, internationale gesetzliche Instrumente für den Schutz des menschlichen Lebens und der Gesundheit vor negativem Einfluss durch zerstörerische und extremistische sektiererische Organisationen und Bewegungen einzuführen.

 

MULLER-TULLI Danièle – Vorsitzende der ASDFI [7], stellvertretende Vorsitzender der FECRIS, Schweiz

Der Europarat – „wie er funktioniert“

 

NOWAKOWSKI Pjotr T. – Sozialpädagoge, Katholische Universität Johannes Paul II. in Lublin – Fakultät der Sozialwissenschaften in Stalowa Wola, Polen

Asoziale and Antisoziale Aspekte der Sektentätigkeit in Polen

 

LÖFGREN Helena, Verhaltensforscherin, Schweden

Knutby – eine Übersicht über die Entwicklung vor und nach dem Mord

 

Le COZ Pierre, Professor der Philosophie an der Universität Aix-Marseille II, Mitglied des nationalen beratenden Ethikkomitees, Mitglied von GEMPPI [8], Frankreich

Entwicklung des Coaching in Frankreich: eine neues Eingangstor für die Sekten

 

DUBROW-MARSHALL Linda, Psychologin, Vorsitzende von RETIRN [9], Gastprofessorin an der Universität von Glamorgan, Großbritannien

Probleme in Familien

 

JOUGLA Jean-Pierre – Anwalt, Mitglied der UNADFI [10] , Frankreich

Warum ist es für die Justiz so schwierig, zu verstehen, wie Sekten funktionieren?

Analyse ausgehend vom Beispiel des Ordens der Sonnentempler

 

PO Simonetta – Schriftstellerin, ehemalige Scientologin, Italien

Scientology: Frontgruppen, ein okkultes System der Rekrutierung und Infiltrationsversuche

 

KROPVELD Mike – Direktor von Info-Cult/Info-Secte, Kanada

Ein Vergleich verschiedener Länder: Herangehen an Probleme, die mit Sekten zu tun haben

 

 

FECRIS ist nicht verantwortlich für die Ansichten, die durch die Sprecher auf ihren Konferenzen ausgedrückt werden.


[2] Organisation for Security and Cooperation in Europe – Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

[5] Gesellschaft gegen Sekten- und Kultgefahren, Österreich

[6] Da Herr Konovalov am Kommen verhindert war, wurde sein Beitrag von Prof. Alexander Dvorkin gelesen

[7] Association Suisse de Défense des Familles et de l’Individu

[8] Groupe d’étude des mouvements de pensée en vue de la prévention des individus

[9] Re-Entry Therapy, Information & Referral Network

[10] Union nationale des Associations de Défense des Familles et de l’Individu victimes de sectes