Moureaux

Serge Moureaux,

Anwalt und Ehrenmitglied der belgischen Abgeordnetenkammer, in den Jahren 1996-1997 Präsident der belgischen Parlamentarischen Enquetekommission bezüglich der illegalen Praktiken von Sekten

 

Die parlamentarische Enquetekommission … Zehn Jahre später

 

Anfänge einer Enquetekommission

 

In dem Augenblick, in dem zu Beginn des Jahres 1996 Antoine Duquesne [1] die Initiative ergriff, eine Enquetekommission bezüglich der Sekten und der Gefährlichkeit einiger von ihnen auf die Beine zu stellen, zögerte die Abgeordnetenkammer nicht lange: Frankreich hatte schon vorher die Initiative ergriffen und das durch bestimmte Affären erzeugte Klima trieb die Zögernden an.

Die Opfer der Sekten sind zahlreich und die durch einige ihrer Aktivitäten bewirkten Todesfälle gehen in die Hunderte.

Von den Sonnentemplern bis zur Aum-Sekte über die Ecoovie sind die Verwüstungen vorhanden, manche erschreckend, andere weniger spektakulär, aber nicht weniger destruktiv.

So dies gesagt ist, ist das Terrain dennoch mit Sprengkörpern versehen.

Den Vereinigungen, die gegen die immer stärker zunehmende Vereinnahmung durch das Sektenphänomen kämpfen, stellt sich eine Art von Internationale der “Neuen religiösen Bewegungen” entgegen, die oft unter dem Deckmantel der Verteidigung der Menschenrechte, unterstützt von Soziologen und von spezialisierten oder selbsternannten Wissenschaftlern, offen durch Artikel, Vorträge und Veröffentlichungen den Angriff auf die religiöse Freiheit, die Hexenjagd, die Sekte der “Anti-Sektierer” brandmarken.

Das Terrain ist also mit Minen versehen und dies umso mehr, als bestimmte Leute in den schädlichsten sektiererischen Organisationen, deren Geschäft gut läuft, nicht zögern, Drohungen, Einschüchterungen, Anzeigen und Verleumdungen zu benutzen, um ihre Gegner durch den Schmutz zu zerren, Akten zu erstellen oder sogar zu direkteren Maßnahmen wie den Diebstahl von Dokumenten und die telefonische oder physische Belästigung zu greifen.

 

Die Philosophie der Enquete

 

Die Einrichtung einer Enquetekommission bezüglich der Sekten bedarf daher besonderer Vorsichtsmaßnahmen, einer geschärften Klugheit, einer besonderen Sorgfalt der Objektivität, eines angeborenen Respekts vor dem Religiösen und vor der philosophischen Freiheit, einer großen Achtung vor dem anderen und einer Bereitschaft, ihm zuzuhören. Aber sie auferlegt auch unbeugsame Härte und Mut. Wenn man gerecht und objektiv sein will, dann muss man sich von Vorurteilen lossagen, aber man muss auch in der Lage sein, durch Stellen der richtigen Fragen die Scheinheiligkeit, die semantischen Tricks, die verharmlosenden Darstellungen einer oft sehr rauen Wirklichkeit zu entlarven.

Mit dieser Philosophie im Sinne und dank des Rückhalts der Mehrheit der Kommissionsmitglieder, die das ganze politische Spektrum abdeckten, stieg ich in die Arbeit der Untersuchung ein.

Die Einleitung des Berichts fasst gut die Absichten der Kommission zusammen, an die sie sich, das kann ich bezeugen, strikt gehalten hat.

 

“Einleitung

 

Die parlamentarische Enquetekommission versuchte, ihre Arbeiten in einem Geist auszuführen, der den Notwendigkeiten der heutigen Gesellschaft Rechnung trägt: Objektivität, Wahrheit, Transparenz, Pluralismus, Überschreitung obsoleter Grenzen, Verantwortlichkeit.

Der Bericht legt Rechenschaft über die Ausführung des Auftrags der Kommission ab. Diese beabsichtigt, die Befunde, Analysen, Vorschläge und Empfehlungen, die sie registriert und die sie angenommen hat, einer öffentlichen Diskussion in der Kammer und gleichzeitig auch durch Bürger zu unterwerfen, und dies im Geist der Offenheit, aber gleichzeitig auch im Geist der Übernahme der Verantwortung.

Wie im Zuge der Arbeit der Kommission mehrmals wiederholt wurde, war es nie ihre Absicht, irgendeine Art von Hexenjagd vom Zaun zu brechen.

            Die durch die Verfassung garantierten fundamentalen Freiheiten sind unverletzlich und sollen vollständig respektiert werden. Was jedoch im Gegensatz dazu rigoros bekämpft werden muss, ist deren Missbrauch durch bestimmte Personen und Vereinigungen. Dies ist der einzige Zweck der Aufgabe der Kommission.

Übrigens ignoriert die Kommission nicht die missbräuchliche Verwendung des Ausdrucks “Sekte” in der Umgangssprache.

Zu oft wird das Wort “Sekte” benützt, und nicht immer auf unschuldige Weise, um Gruppen zu beschreiben, deren Mitglieder ein bizarres, abnormales oder einfach ungewöhnliches Verhalten aufweisen, was ihren Glauben, ihre Wahl der medizinischen Behandlung, ihr soziales oder sexuelles Verhalten oder auch nur ihre Art, Geld auszugeben, betrifft.

Andererseits ist wegen der manchmal kriminellen Tätigkeit bestimmter Vereinigungen der Ausdruck “Sekte” zu einem Begriff geworden, der Gefahr bedeutet.

Die Kommission strebt danach, jede Vermischung  zwischen den gefährlichen Vereinigungen einerseits und den einfach atypischen Verhaltensweisen andererseits zu vermeiden, sei sie absichtlich oder nicht.

Es gab daher vonseiten der Kommission niemals die Absicht zu einer Normalisierung des Verhaltens oder zu irgendeiner Moralisierung. In diesem Sinn sollte der Bericht gelesen und verstanden werden.

Die Breite der Untersuchung, die Anzahl und der freiwillig gegensätzliche Charakter der Anhörungen zeigen, dass die Kommission es verstanden hat, sich einer objektiven Untersuchung ohne Vorurteil zu widmen. Klarerweise ist Objektivität nicht gleichbedeutend mit Passivität oder Kleinmut.

Die Kommission hätte ihren Auftrag verraten, hätte sie der öffentlichen Meinung eine bestimmte Anzahl von unerfreulichen aber leider bestätigten Feststellungen und Wahrheiten vorenthalten. Vielleicht haben die Schlussfolgerungen der Kommission umso mehr Gewicht, weil sie die Frucht einer objektiven Arbeit sind. Wir hoffen es.”

 

Eine gegensätzliche Methode

 

Auf Anhieb haben wir entschieden, mit der Methode der französischen Kommission zu brechen, die sich wesentlich auf die Anhörung von etwa zwanzig hochrangigen Verantwortlichen unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschränkt hat.

Wir haben uns für eine umfangreichere Informationsarbeit entschieden, für ein vielfältigeres Angebot von Zeugnissen, für eine Arbeit, die öfter öffentlich durchgeführt wurde (wenn die Situation es erlaubte) und für einer schriftliche und mündliche gegensätzliche Anhörung der Organisationen, die uns von den Polizeidiensten gemeldet wurden.

Wir hielten 58 Versammlungen ab und hörten 136 Zeugen an (sechsmal so viele wie die französische Kommission).

Als Zeugen wurden eingeladen: Mitglieder der Regierung, Vertreter der Justizbehörden, Verantwortliche oder Mitglieder der Polizei und des Nachrichtendienstes, Mitglieder des Komitees “R” [2] und Verwaltungsbeamte (Bundes- und Gemeindeinstanzen). Die Kommission hat ebenso gewünscht, Zeugnisse einer bestimmen Anzahl von Universitätsprofessoren, Wissenschaftlern und Autoren zu sammeln, die auf diesen Gebiet theoretische oder praktische Kenntnisse haben.

In einer zweiten Phase hat die Kommission Vertreter der Vereinigungen zur Verteidigung der Opfer sektiererischer Umtriebe wie auch ehemalige Mitglieder sektiererischer Bewegungen und Familienangehörige von Mitgliedern oder ehemaligen Mitgliedern befragt.

Schließlich hat sich die Kommission ebenso daran gehalten, (auf ihren Wunsch) die Zeugnisse von Vertretern der verschiedenen als sektiererisch betrachteten Bewegungen anzuhören, um ihnen zu erlauben, ihre Gesichtspunkte in der Sache darzulegen, um so ihre Information zu vervollständigen.

Aus Gründen der Vertraulichkeit und der öffentlichen oder persönlichen Sicherheit wurde eine bestimmte Anzahl von Zeugen auf ihren Wunsch unter Ausschluss der Öffentlichkeit befragt.

Ein Teil von diesen wurde sogar nur vom Präsidenten einvernommen, unterstützt von den Mitgliedern des Büros de Kommission, damit ihre Anonymität gewahrt bleibe.

Schließlich haben einige wenige Zeugen es vorgezogen, der Kommission eine schriftliche Mitteilung zu machen.

Außerdem hat die Kommission ebenso beschlossen, einen Brief an 71 Vereinigungen zu senden, die im Rahmen ihrer Arbeiten von den offiziellen belgischen Instanzen als solche genannt wurden, die einen sektiererischen Charakter haben (insbesondere auf der Grundlage der Kriterien der französischen parlamentarischen Enquetekommission) und eine Gefahr für die Gesellschaft oder für das Individuum darstellen könnten. Diese Vereinigungen wurden eingeladen, an die Kommission ein Memorandum zu schicken, in dem sie die von ihnen verfolgten Ziele und gegebenenfalls die Zurückweisung ihres eventuellen sektiererischen und gefährlichen Charakters darlegen sollten. Siebenundvierzig Organisationen sind dieser Aufforderung gefolgt. Die dadurch übermittelte Information wurde von der Kommission im Rahmen der Ausarbeitung des gegenwärtigen Berichts benützt. Außerdem hat die Kommission, wie oben angegeben, die Anhörung  jener Bewegungen vorgenommen, die ausdrücklich gebeten haben, angehört zu werden.

 

Juristische Feststellungen

 

Gleichzeitig mit den wöchentlichen Anhörungen wurde auf unseren Wunsch die vertiefte Überprüfung des Strafakts Ecoovie vorgenommen, das eine wahre strafrechtlich relevante Aktivität auf der Ebene des Betrugs und verwandter Straftaten, aber ein einzigartiges Fehlen auf der Ebene von sektiererischer Aktivität im eigentlichen Sinn der mentalen Manipulation oder missbrauchender sexueller Praktiken des Leiter der Sekte enthüllte, der von da an als Flüchtling in Amerika lebte. Auf unseren Wunsch wurde mittels des Untersuchungsrichters Bulthé eine vertiefte Untersuchung bezüglich einer eventuellen Wiedererrichtung des Ordens der Sonnentempler vorgenommen, die mir persönlich durch einen Angehörigen eines verstorbenen leitenden Mitglieds des Ordens als wahrscheinlich anvertraut wurde.

Diese Spur erwies sich als teilweise fruchtbar und die Aktion des Richters wird mehr als wahrscheinlich die Entwicklung einer versuchten Wiedergeburt der Bewegung entmutigen, die in einem ziemlich geschlossenen militärischen Milieu angezettelt wurde, in dem Luc Jouret (einer der beiden Gurus der Sekte) seinen Militärdienst geleistet hatte. Die Polizeibeamten, die mit dieser Aufgabe betraut waren, erlebten die große Überraschung, von einem anderen (offiziellen oder offiziösen) Dienst beschattet und bespitzelt zu werden. Wie dem auch sei, die Ausforschung auf diesem Gebiet bleibt gefährlich und voller Tücken.

Es ist völlig sicher, dass diese Untersuchungen sowie die vertieften und begründeten Anhörungen der Leiter von elf Organisationen zu einer viel größeren Verhaltensvorsicht bei den meisten schädlichen sektiererischen Organisationen führte, welche die Tendenz hatten, ihre Praktiken zu glätten und bestimmte zu offensichtliche Exzesse aufzugeben.

 

Der Inhalt des Berichts

 

Der Bericht der Enquetekommission enthält 670 Seiten, das heißt, es ist unmöglich, ihn in einigen Sätzen zusammenzufassen.

Zur Zusammenfassung der Anhörung von Zeugen, zur Analyse der Aussagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und zu den Berichten über die juristischen Pflichten wurden einige wichtige Punkte hinzugefügt:

 

  1. Schlussfolgerungen der Kommission, einschließlich eines Versuchs der Definition von “Sekte”.
  2. Vorstellung einer Serie von Empfehlungen der Kommission.
  3. Veröffentlichung einer synoptischen Tafel.

 

  1. Die Definition der Sekte

 

Nachdem sie sich von einer umfangreichen Dokumentation und zahlreichen formulierten Vorschlägen in den sehr verschiedenen Zeugnissen umgeben sah, hat die Kommission eine Analyse in drei Punkten vorgeschlagen:

 

  • Zuerst die Sekte im eigentlichen Sinn

 

Die Kommission stellt fest:

 

“Im ursprünglichen Sinn, festgehalten insbesondere im Wörterbuch “Petit Robert”, bezeichnet Sekte “eine organisierte Gruppe von Personen, die im Schoß einer Religion dieselbe Doktrin haben.

In einem solchen Sinn ist “Sekte” an sich respektabel und bedeutet einfach einen normalen Gebrauch der Religionsfreiheit und der Vereinigungsfreiheit, die durch unsere fundamentalen Rechte garantiert sind.

Manche mögen nun die Auffassung unterstützen, dass einige dieser Vereinigungen aus neuen Entwürfen philosophischer oder religiöser Art hervorgegangen sind, mit einem neutraleren Ausdruck also “Neue religiöse Bewegungen” genannt.

Es ist klar, dass für die Enquetekommission die “Sekten” oder „neuen religiösen Bewegungen” nicht an sich eine Gefahr darstellen und nicht von vornherein schädlich sind. Die Lesung der Schlussfolgerungen der Kommission und der veröffentlichten Liste kann nur im Geiste dieses wesentlichen Grundsatzes erfolgen.”

 

Meiner Meinung nach zeigt dieser Auszug aus dem Bericht für sich allein die perfekte Objektivität und ihre große Sorge für die Achtung des fundamentalen Prinzips der religiösen Freiheit.

 

  • Die schädlichen sektiererischen Organisationen

 

Die Organisation versucht nun, eine synthetische Definition dessen darzustellen,  was sie die “schädlichen sektiererischen Organisationen” nennt, um sie klar von gewöhnlichen Sekten, Religionen und neuen religiösen Bewegungen zu unterscheiden. Man wird sehen, dass diese Bemühung um Klärung, diese sehr klare Unterscheidung, nicht genügte, um die unbedingten Partisanen der Unschuld des Sektenphänomens in ihrem Kreuzzug zu entwaffnen.

 

Wir sagen

 

    1. Die schädlichen sektiererischen Organisationen

 

Unter den “Sekten” (oder “neuen religiösen Bewegungen”) widmen sich bestimmte, sei es durch ihre grundlegende philosophische Konzeption, sei es durch ihre Organisation, sei es durch eine abwegige Entwicklung ihrer Konzeption, ihres Verhaltens oder ihrer Aktivität, schädlichen oder illegalen Praktiken oder bringen das Individuum oder die Gesellschaft in Gefahr und stellen so die fundamentalen Grundsätze in Frage, die durch die Universelle Erklärung der Menschenrechte garantiert sind.

Man könnte daher eine schädliche sektiererische Organisation als eine Gruppe philosophischer oder religiöser Berufung definieren, oder eine, sie sich als solche darstellt, die sich in ihrer Organisation und Praxis verurteilungswürdigen ungesetzlichen Aktivitäten widmet, Individuen oder die Gesellschaft schädigt oder die menschliche Würde angreift.

 

Wir fügten der Definition im engeren Sinn, die sehr gedrängt und leicht verständlich ist, dreizehn Gefahrenkriterien hinzu, die großteils durch die Schlussfolgerungen der französischen Kommission inspiriert sind.

Niemand hat je unsere Definition in Frage gestellt und es blieb dem berühmten Professor Massimo Introvigne, dem Direktor des CESNUR [3] , vorbehalten, ein Beispiel einer intellektuellen Taschenspielerkunst anzuwenden, deren Geheimnis er kennt, um in der Definition das zu entdecken, was nicht enthalten war (nur die mentale Manipulation blieb von dreizehn Kriterien der Gefährlichkeit übrig), und daraus, völlig künstlich, “die zentrale Frage zur Bewertung des belgischen Berichts” zu machen, dessen Redaktion in diesem Punkt fälschlicherweise dem Kriminologen Johan Goethals zugeschrieben wird, obwohl sie völlig meiner Feder entstammte.

In Wirklichkeit beruht die grundsätzliche Kritik auf dem Umstand, dass die Kommission missbräuchlicher Weise “das Verhalten und den Glauben” voneinander getrennt hat. Professor Introvigne schreibt:

 

… die strenge Trennung von Doktrin und Verhalten ist eine unmögliche Maßnahme: das Verhalten einer religiösen Bewegung darf nicht nur interpretiert, sondern muss auch rekonstruiert und verstanden werden, als von der Basis der Doktrinen ausgehend, von der es sich ableitet.

Das Untersuchen irgendwelcher Aktionen oder Verhaltensweisen und das Absehen von deren Zusammenhang und deren Motivation bedeutet einfach, die Aktivitäten der menschlichen Personen so zu betrachten, als ob sie Roboter ohne Psychologie und ohne Seele wären. Auf diese Weise zu argumentieren bedeutet, einen wahrhaften eisernen Vorhang zu errichten.

 

Es läuft darauf hinaus, die illegalen oder den Menschenrechten widersprechenden Verhaltensweisen bestimmter sektiererischer Organisationen von vornherein für respektabel zu erklären, die eine Doktrin voraussetzen, weil diese religiös ist, auch wenn sie zu Verbrechen führt.

Die sektiererische Tat, auch wenn sie schädlich ist, wird so quasi ontologisch gerechtfertigt. Es ist allzu offensichtlich, dass unsere Texte sich nicht auf  “religiöse Konzepte” oder auf die “Doktrin” beziehen, wenn ihr Inhalt nicht einen “Abweg” aufzeigt, der die Verletzung der Rechte anderer zur Folge hat. Wenn der Offenbarer oder der Träger der Doktrin (der Guru oder der Prophet) darin die Schädigung lehrt oder für gerechtfertigt erklärt, dann widersetzt sich unsere Definition offenbar diesem Gedankengut, in dem Maß, als sie bei den meisten Anhängern Verhaltensweisen rechtfertigt, die den Rechten des Individuums widersprechen oder die sie zu Verhaltensweisen führen, die mit den Gesetzen nicht übereinstimmen.

 

Von dem Augenblick an, wenn eine Bewegung mit religiöser oder philosophischer Berufung nicht zur Akzeptanz des kollektiven Selbstmords Erwachsener führt, sondern sich das Recht anmaßt, kraft ihrer sich entwickelnden und abwegigen Doktrin ein 6 Monate altes Baby mittels eines in dessen Körper gerammten Pfahls zu ermorden, weil es die Reinkarnation des Bösen sein soll, dann hat eine moderne zivilisierte Gesellschaft die Pflicht zu reagieren, denn sie sieht sich einer kriminellen Doktrin gegenüber.

 

  • Die Vereinigung der Übeltäter

 

Unsere Kommission hat gut verstanden, dass der Schutzmantel der Religion dazu dienen kann, kriminelle Organisationen, große Betrügereien, verschiedenen Menschen- oder Drogenschmuggel, Steuerhinterziehung oder Geldwäsche zu verschleiern.

Sie hatte daher den Mut, eine dritte Kategorie zu definieren.

 

Die Enquetekommission schätzt, dass Organisationen von Übeltätern (Betrüger, Geldwäscher, Drogenschmuggler, Pädophilenkreise) gerne eine “sektiererische” Fassade oder jene einer pseudoreligiösen Bewegung benützen, um ihre kriminellen Praktiken zu verbergen. Es handelt sich also nicht um schädliche Sekten oder um Sekten, die auf Abwege geraten sind, sondern um Organisationen der organisierten Kriminalität, die sich als Sekten verstellen. Sicher ist, dass in mehreren Ländern diese Art von schützender Fassade sich als wirksam und rentabel erweist (steuerliche Vorteile, die zum Beispiel den anerkannten Kirchen gewährt werden).

 

Es ist klar, dass im  Geist des Berichts auf der Grundlage der gesammelten Zeugnisse und der von den offiziellen Diensten (Staatsanwaltschaft, Polizei, Gendarmerie, Kriminalpolizei) eingesandten Berichte die Universelle Kirche des Reiches Gottes, durch die Erste Kammer des Berufungsgerichts von Brüssel im Juni 2005 [4] ohne Motiv rehabilitiert, in dieser Kategorie aufschien. Alle durch uns gesammelten Zeugnisse konvergierten zu einer Qualifikation als mafiose Organisation, die als religiöse Bewegung getarnt ist.

 

  1. Die Empfehlungen der Kommission

 

Vielfältig und verschiedene Bereiche berührend, gingen unsere Empfehlungen von mehreren Punkten aus. Ich möchte mich hier nicht aufhalten, andere Sprecher sollen hier die Entwicklung der parlamentarischen Arbeit oder jene des Observatoriums für die Sekten darstellen, das auf Vorschlag der Kommission eingerichtet wurde und das in unseren Augen dazu bestimmt ist, ihre Arbeit fortzusetzen und zu erweitern.

 

  1. Die synoptische Tabelle

 

Die Enquetekommission hat buchstäblich ein Ereignis geschaffen, indem sie am Ende des Berichts eine synoptische Tabelle veröffentlicht hat, die 189 in Belgien mehr oder weniger aktive Organisationen erwähnt, die mehrmals in den Dokumenten aufschienen, die von der Staatsanwaltschaft, der Gendarmerie, der Kriminalpolizei, dem Staatssicherheitsdienst oder den Zeugen kamen, die von der Kommission angehört wurden.

Die Kommission wollte niemals eine vollständige Liste schädlicher sektiererischer Organisationen veröffentlichen. Im Gegenteil. Denn sie besaß nicht die Mittel, um die  oft gewagten Behauptungen der Polizeidienste zu überprüfen

 

Der Veröffentlichung der Liste wurde ein sehr klarer Hinweis vorangestellt, der – in vielen Fällen leider absichtlich – der Aufmerksamkeit des Lesers des Berichts entgangen ist.

 

Die gegenwärtige Tabelle ist das Ergebnis von Informationen, die durch die Kommission während ihrer Arbeit gesammelt wurden. Die Namen, die hier wiedergegeben werden, wurden unter ihrer eigenen Verantwortlichkeit durch die offiziellen Dienste (Gendarmerie, Kriminalpolizei, Staatsicherheit, Allgemeiner Nachrichtendienst und Sicherheit, Staatsanwaltschaft), die in diesem Sinn befragt wurden, und durch direkte oder indirekte Zeugen geliefert, die unter Eid befragt wurden.

Diese Aufzählung bedeutet daher weder eine Stellungnahme noch einer Wertbeurteilung von Seiten der Kommission. Daher bedeutet der Umstand der Aufzählung einer Bewegung hier nicht, selbst wenn diese auf die Initiative einer offiziellen Instanz erfolgte, dass es sich für die Kommission um eine Sekte handelt, und  umso weniger, dass sie gefährlich ist.

Wie die Tabelle zeigt, konnte die Kommission weder zu einer Überprüfung der Gesamtheit der gesammelten Informationen gelangen, noch die Genauigkeit überprüfen.

Aus denselben Gründen, in dem Maß in dem die Tabelle nicht erschöpfend ist, bedeutet die Nichtaufzählung nicht von vornherein eine Anerkennung der Unschuld einer Bewegung.

Die Überprüfung dieser Bewegungen sollte vertieft und die Tabelle ständig aktualisiert werden.

Betreffend die Analyse der gegenwärtigen Tabelle ist der Leser nützlicher Weise auf den Teil des Berichts verwiesen, der den Definitionen sowie den Elementen der öffentlichen oder nichtöffentlichen Bezeugung gewidmet ist

 

Aktionen und Reaktionen gegen die Kommission

 

Alles was sich bestimmter schädlicher Sekten annimmt, kann sozusagen sicher sein, das Objekt eine Pressecampagne, von Verleumdungen, Gerichtsverfahren, Belästigungen, ja sogar von Drohungen zu werden.

In Frankreich wurde der Parlamentarier Vivien, in diesem Land der erste Autor eines Berichts über Sekten, das Objekt einer schmutzigen Verleumdungscampagne. Die streitbare Frau Tavernier wurde vier Monate hindurch das Objekt einer systematischen Campagne der Einschüchterung und der Belästigung.

Seit der Gründung der belgischen Kommission bestätigt sich das Phänomen. Der Journalist A. Lallemand von Le Soir, Autor eines Buches, das sich den Sektengefahren widmet, und von der Kommission aufgerufener Zeuge, erhält anonyme Drohungen im Büro seiner Redaktion, die direkt gegen ihn und gleichzeitig gegen Mitglieder der Kommission gerichtet sind. Man hinterlegt den leider berühmen Text von Ron Hubbard betreffend die Regeln des guten Verhaltens von 18. Oktober 1967. In diesem Text sagt Ron Hubbard bezüglich des Verhaltens, das die Mitglieder der Scientology-Kirche betreffend die Feinde dieser Kirche an den Tag legen sollen: “Er kann von jedem Scientologen seines Eigentums beraubt oder auf jede Weise verletzt werden, ohne dass dieser von Seiten der Scientology bestraft würde. Man darf ihn betrügen, ihn durch die Justiz verfolgen, ihn belügen oder ihn vernichten”.

Ein gewisser Vandenneucker, 31-jähriger Ingenieur, Anhänger, wurde auf seinen Wunsch befragt und preist Scientology. Befragt von mir bezüglich seiner Angriffe gegen den französischen gerichtlichen Sachverständigen, Herrn Abgrall, antwortet er:

 

Ich habe das angegriffen, was er gesagt hat, aber nicht ihn persönlich. Es gibt 2 Optionen. Persönlich ist es mir gleichgültig, was jemand ist, Scientologe oder nicht. Das ist die Wahl, die Freiheit eines jeden. Dass eine Gruppe, einfach weil sie nicht Scientologen sind, beginnt, anzugreifen und das Leben von Personen herabzusetzen, die sich für ihre religiöse Freiheit entschieden haben, damit bin ich nicht einverstanden und da greife ich an. In dieser Optik bin ich mit dem einverstanden, was Herr Hubbard sagt.

 

Der Präsident: Sie sind mit Herrn Hubbard einverstanden, die Gegner von Scientology zu vernichten?

 

Herr Vandenneucker: Was bedeutet das Wort “vernichten”?

 

Eine solche Antwort macht nachdenklich.

 

Herr Vaquette, einer der Leiter der Kirche in Belgien, nachdem er lange Minuten um den Brei herum geredet und die Benützung der von Ron Hubbard empfohlenen Methoden in unserem Lande bestritten hat, schließt mit dem Zugeständnis:

 

In Frankreich ist es anders: der Dialog ist sehr schwierig. Wenn wir Konflikte haben – glücklicherweise ist das sehr selten – mit einer Person, deren Ziel die Ausschaltung der Scientology ist, dann anerkenne ich die Tatsache, dass die Scientologen aggressiv werden und zu wenig delikaten Mitteln greifen. Aber ihre Religion steht auf dem Spiel!

Das ist das Problem: es ist keine Frage der Kritik. Die Freiheit der Religion steht auf dem Spiel: diese Dame hört nicht auf, meine Religion zum Verschwinden bringen zu wollen. Ich bin damit nicht einverstanden und ich denke die französischen Scientologen sind damit überhaupt nicht einverstanden.

 

In die Ecke getrieben, macht Herr Vaquette Teilgeständnisse. Ich sage ihm:

 

Wenn ich Sie recht verstehe, meinen Sie, wenn jemand Scientology kritisieren möchte und zum Beispiel Maßnahmen in dieser Hinsicht ergreift, dann würden Sie versuchen, einen Akt über ihn anzulegen und ihn zu denunzieren.

 

Er antwortet:

 

Ich würde meine Anwälte einschreiten lassen. Sie sollen sich damit beschäftigen, nicht ich. Ich befasse mich nicht mit juristischen Angelegenheiten. Meine Anwälte werden entscheiden, ob man ein Gerichtsverfahren beginnen, einen Privatdetektiv mit der Sammlung von belastenden Fakten beauftragen soll, der die Leute befragen wird. Das ist seine Arbeit.

 

Später drückt er sich genauer aus:

 

Wenn mich ein Hund beißt, dann werde ich nicht zögern, ihm einen Fußtritt zu geben. Das ist meine Position.

 

Ich kann der Lust nicht widerstehen, ihn zu fragen:

 

Wenn man Sie schlägt, dann halten Sie nicht die andere Wange hin. Sie schlagen zurück!

 

Darauf antwortet er, wobei er gut den Sinn zeigt, den seine Kirche dem Wort “schlagen” verleiht:

 

Ja. Das hängt von der ausgedrückten Absicht ab.

 

Diese lange mehrere Stunden dauernde Anhörung war übrigens sehr fruchtbar. Über das Elektrometer, den Preis der Kurse, die Geschäftsziffern und die Rückführung der Erlöse nach den USA. Aber vielleicht vor allem eine Enthüllung, die zur Zeit den meisten Beobachtern entgangen ist, nämlich die Existenz einer offiziellen Vereinbarung der Nicht-Intervention, die zwischen der Scientology-Kirche und Interpol abgeschlossen wurde und die absolute Neutralität der internationalen Polizei dieser Organisation gegenüber garantiert.

 

Der Wortlaut der Anhörung:

 

Der Präsident: Es gab einen Konflikt zwischen der Scientology-Kirche und Interpol?

 

Herr Vaquette: Ja.

 

Der Präsident: Und diese Kommission wurde beauftragt, den Konflikt zu behandeln?

 

Herr Vaquette: Und ihn zu beenden und zu einem glücklichen Abschluss für die ganze Welt zu führen. Der glückliche Abschluss wurde vor einigen Jahren durch einen Anwalt unterfertigt.

 

Der Präsident: Was ist der glückliche Abschluss?

 

Herr Vaquette: Eine Vereinbarung des guten Zusammenlebens. Interpol kümmert sich nicht um Scientology als Religion, weil ihre Statuten ihr dies verbieten. Das ist eine lange Geschichte.

 

Der Präsident: Also, wenn ich richtig verstehe, hat Interpol einen Vertrag mit dieser Kommmission geschlossen, die eine Abordnung der Scientology-Kirche war, und nach den Bestimmungen dieses Vertrags hat sich Interpol verpflichtet, sich nicht mehr mit der Scientology-Kirche zu befassen?

 

Herr Vaquette: Ich habe natürlich nicht die genauen Bestimmungen, Herr Präsident. Der amerikanische Anwalt hat unterschrieben, aber ich weiß, dass ein Friedensvertrag unterfertigt wurde.

 

Der Präsident: Ein Friedensvertrag?

 

Herr Vaquette: Ja, genau so.

 

Der Präsident: Also eine internationale Vereinigung der Polizei, die sich verpflichtet, sich nicht mehr um eine Vereinigung zu kümmern … Interessant. Man lernt täglich.

 

Es gibt noch ein anderes Beispiel des Systems Hubbard von der Manipulation von Konzepten und von internationalen Organisationen. Auf meine Frage: Was ist das « European Human Rights and Public Affaires Office » antwortet

 

Herr Vaquette: Das ist das Public Relations Büro hier in Brüssel. Das sind übrigens Freunde. Ihr Vertreter ist heute, glaube ich, in der Öffentlichkeit. Dieses Büro kümmert sich um die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche auf europäischer Ebene, nicht belgisch, sondern europäisch. Die Angelegenheiten von europäischer Dimension werden durch diese Leute behandelt.

 

Interpol und die Menschenrechte wurden auf irgendeine Weise überall hineingezogen und zur Verfügung schädlicher sektiererischer Organisationen gemacht, die sehr offiziell beschützt werden.

Seit der Veröffentlichung des Berichts reagierte auch Kardinal Daneels sehr heftig auf die Erwähnung des Opus Dei und der Charismatischen Erneuerung in der Tabelle, die von mehreren Zeugen beschuldigt wurden. In den Fernsehsendungen, die diesem Thema gewidmet waren, wurde ich das Objekt von bösartigen persönlichen Angriffen in jenem verleumderischen Stil, wie er gegen meinen französischen Kollegen Vivien benützt worden war. Diese Angriffe, ausgelöst durch das Opus Dei, führten konkret zu politischem Druck gegen die Mitglieder der Kommission (besonders die christlichsozialen) und gegen das Parlament selbst, das von der katholischen Hierarchie aufgefordert wurde, nicht für den Bericht zu stimmen. Der Druck auf die PSC [5] und die CVP [6] wurde direkt und schrecklich. Ich glaube, der Abgeordnete Willems und Frau t’Serclaes könnten darüber berichten.

Und dennoch. Der Vizerektor der UCL [7] , Gabriel Ringlet, war Zeuge des wachsenden Einflusses von gefährlichen sektiererischen Gruppen auf dem Campus von Louvain-la-Neuve.

Diese Periode war für mich sehr schwierig und überzeugte mich von der wirklichen Schwierigkeit eines im öffentlichen Leben stehenden Menschen, mit Objektivität das gemeinsame Interesse angesichts von skrupellosen Lobbies zu verteidigen.

Das war noch nicht das Ende.

Eine amerikanische Enquetekommission (State Department und Kongress gemeinsam) wollte mich aufsuchen. Zu meinem großen Erstaunen betraf der Bericht, den sie nach Washington sandte, direkt Frankreich, Belgien und Deutschland und beschuldigte diese Länder und ihre Institutionen, die religiöse Freiheit zu verhöhnen. Eine Unverschämtheit, wenn man den Bericht und seine ständige Sorge um Objektivität liest. Ich musste in der Folge in den jährlichen Berichten des amerikanischen Kongresses feststellen, dass die Botschaft in Brüssel den genauen Auftrag erhalten hatte, zugunsten der Scientology-Kirche zu intervenieren und sie zu schützen, und dass unsere Ministerien des Äußeren und der Justiz verpflichtet wurden, in demselben Sinn zu agieren. Das erklärt ohne Zweifel den derzeitigen Kleinmut der belgischen Behörden angesichts der Aktivität bestimmter Organisationen amerikanischen Ursprungs.

Auf internationaler Ebene haben alle grenzüberschreitenden Organisationen, die von den wichtigsten in unserem Bericht erwähnten sektiererischen Organisationen auf  die Beine gestellt wurden, in der Verunglimpfung unseres sowie des französischen Berichts um die Wette geeifert.

Menschenrechte ohne Grenzen  (sic!) hat eine Analyse mit dem Titel “Die Rückkehr der Jakobiner” veröffentlicht, die dem Bericht unserer Kommission durch Massimo Introvigne, den Direktor des CESNUR und Professor am Athenäum Regina Apostolorum in Rom, gewidmet war.

Die wesentliche Beschäftigung dieses Professors ist es, denen, die man “Verteidigung und Illustration” von sektiererischen Organisationen nennen könnte, die man zu diesem Zweck in “neue religiöse Bewegungen” umbenannt hat, einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben.

Der Ärger für die Verfechter diese These besteht darin, dass der belgische Bericht, weit davon entfernt, kleine neue Sekten anzugreifen, um die großen Kirchen besser zu verteidigen (diese „Sekten, die Erfolg hatten“, gemäß der Schockformulierung von Anne Morelli [8] ), alles enthüllt hat, was irgendwo ein wenig versagen könnte, sei es im Schoß eines integristischen Protestantismus, eines missratenen Buddhismus oder bestimmter katholischer Cliquen, die zu einer Rückkehr zum „Sektentum“ verleitet sind.

Man zögerte auch nicht, uns überraschender Weise wegen eines Übermaßes an Objektivität bei der Durchführung der Befragungen anzugreifen.

 

Massimo Introvigne schreibt:

 

Auf der Grundlage eines rationalistischen Vorurteils, das oft bei den Interventionen des Präsidenten der Kommission bei seinem Dialog mit Zeugen zum Vorschein kommt und das eine tiefe Wurzel in der Geschichte der Laïcité [9]  und des belgischen Antiklerikalismus hat, wurde eine Quelle für Berichte über die überprüften Bewegungen ignoriert. Die offiziellen Vertreter der Mehrheitskirchen wurden auf Abstand gehalten.

 

Der Umstand, den Rationalismus als Vorurteil zu qualifizieren, ist bereits ein ganzes Programm, aber eine Infragestellung dieser Art floriert gut als eine Form des überholten Klerikalismus, der schlechte Erinnerungen in dem Maße erweckt, wo man offenbar nicht imstande ist, den geringsten konkreten Vorwurf gegen die objektive Führung der Anhörungen zu erheben. Außer wenn der Respekt, den ich allen diesen Auffassungen und Glaubensrichtungen erwiesen habe, in den Augen der patentierten Verteidiger des Sektentums, im schlechten Sinn verstanden, suspekt sein sollte.

Die anderen Vorwürfe sind unredlich. Alle angehörten Gruppen haben frei im Detail ihre Lehren und deren Quellen dargelegt, ohne die mindeste Interferenz oder Unterbrechung. Bedeutende katholische Vertreter wurden angehört (außer Gabriel Ringlet ist ebenfalls ein antiklerikaler Rationalist) und die ganze Infragestellung des Opus Dei, der Erneuerung oder des Werks kommen von Zeugen, die keine militante Laïcité hervorkehren.

Die Reaktionen auf die Arbeiten der Enquetekommission haben niemals aufgehört.

1997 veröffentlichte Anne Morelli, die lange von der Kommission angehört worden war, eine kleine Schrift mit dem Titel „Offener Brief an die Sekte der Sektengegner“, in der sie eine Serie von Unwahrheiten ausspricht, die zeigen, dass sie unseren Bericht weder gelesen noch dessen Zusammenfassung überflogen hat. Ein Verhalten, das wenig zu ihrem Status als Universitätslehrerin und zu ihren wissenschaftlichen Ansprüchen passt.

2003 wird sie dann rückfällig, indem sie in einer Weißen Karte der Zeitung Le Soir gleichzeitig unsere Kommission und das sehr vorsichtige Sekten-Observatorium angreift, dessen Auflösung sie vorschlägt. Le Soir ist bereit, meine Antwort auf diese Hirngespinste zu veröffentlichen, die oft von einem maßlosen Hang zum Paradoxen inspiriert sind.

Gleichzeitig ergießt sich eine Flut von juristischen Beschwerden über die französische Gemeinschaft [10] , die auf die Initiative von Laurette Onkelinx [11] für die Schulen eine Zusammenfassung der Feststellungen der Kommission veröffentlicht hat.

Schließlich leistet sich am 28. Juni 2005 die Erste Kammer des Berufungsgerichts in Brüssel den Luxus, unter Missachtung des Artikels 58 der Verfassung die Universale Kirche des Reiches Gottes, eine pseudosektiererische Struktur, zu rehabilitieren, die durch unsere Kommission als missbrauchender religiöser Deckmantel eines wahrhaften Betrugsunternehmens angeprangert wurde.

Es besteht kein Zweifel, dass diese Entscheidung die Gewaltenteilung verletzt und Teil einer Offensive bestimmter Mitglieder der juristischen Behörden gegen die Unabhängigkeit der Gesetzgebung ist. Die autonome Untersuchungsbefugnis der Kammer wird von vielen Leuten aus dem Establishment schlecht akzeptiert.

Aber es kam noch schlimmer. Das Berufungsgericht befasste sich mit unserem Bericht, ohne die belastenden Dokumente zu kennen, über welche die Kommission verfügt: die Berichte der offiziellen Dienste aus vier verschiedenen Quellen und die gesammelten unter Eid abgelegten Zeugnisse unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Man versteht nicht gut, wie eine parlamentarische Kommission die genauen Informationen von Staatsanwälten, Gendarmeriediensten, Kriminalpolizei oder der Staatssicherheit verachten sollte, da sie mit der gleichen Genauigkeit durch unter Eid angehörte Zeugen bestätigt wurden. Vor allem wenn die betreffende Organisation sich sorgfältig davon enthalten hat, auf die Einladung zur Abhaltung einer schriftlichen oder mündlichen widersprechenden  Debatte zu antworten. Die Position des Gerichtshofs stellt tatsächlich das Recht eines Untersuchungsrichters in Frage, einen belastenden Bericht zu entwerfen, der auf den im Akt vorhandenen Protokollen oder auf den Zeugnissen begründet ist, die er selbst gesammelt hat. Man kann daraus schließen, dass das Berufungsgericht, in seiner Sorge, einer Organisation zu Hilfe zu eilen, die in einem auf konsistenten Akten beruhenden Bericht der parlamentarischen Enquetekommission als kriminell qualifiziert wurde, objektiv und absichtlich, ohne diese Akten zu kennen, eine seriöse Untersuchungsarbeit verunglimpft und entwertet und zur Rehabilitierung von schädlichem Sektierertum im Geist der Öffentlichkeit beiträgt. Wie ich es in Le Soir geschrieben habe, dies zu tun bedeutet „mit den Wölfen zu heulen“.

 

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Hier sind wir nun. Ich glaube, dies beweist die Nützlichkeit Ihrer Organisation, denn die objektive Information über die schädlichen Sekten ist niemals vollendet. Und sie erfordert einen ständigen Austausch mit den aufgeklärtesten Parlamentariern, wie die Arbeitsgruppe, die ihre Arbeit fertig gestellt und erfolgreich unseren Bericht von 1997 aktualisiert hat.

Meine Schlussfolgerung ist deshalb pessimistisch – optimistisch. Der Einfluss schädlicher Sekten auf bestimmte Institutionen bleibt katastrophal.  Hingegen erlaubt ständige Wachsamkeit, jene Schäden einzudämmen und zu begrenzen, die wir in unserem Bericht analysiert und angeprangert haben.

Das ist für mich, ungeachtet der öffentlichen Beleidigungen, ein Grund zur Zufriedenheit

 

 

 

[1] Anwalt, Staatsminister, Europaparlamentarier und in den Jahren 1996-1997 Berichterstatter der Enquetekommission bezüglich der Sekten

[2] Permanentes Komitee der Kontrolle der Nachrichten- und der Sicherheitsdienste (Comité R).

[3] Centro Studi Sulle Nuove Religioni – Zentrum des Studiums neuer Religionen

[4] Im Augenblick der Herausgabe dieses Dokuments: Verurteilt für ihren Bericht „Sekten“ von 1997, gewann die Kammer bei der Berufung (La Libre Belgique, 3., 4. und 5. Juni 2006)

[5] Parti Social Chrètien (Belgien)

[6] Christelijke Volkspartij (Belgien)

[7] Université Catholique de Louvain – Katholische Universität von Löwen

[8] Professorin am Centre interdisciplinaire d’études des religions et de la laïcité – Freie Universität Brüssel

[9] religiöse Neutralität des Staates (Anm.d.Übers.)

[10] Nach der Verfassung (Artikel 2) besteht Belgien aus drei Gemeinschaften: der französischen Gemeinschaft, der flämischen Gemeinschaft und der deutschsprachigen Gemeinschaft, deren konstituierende Elemente die Kultur und die Sprachen sind.

[11] Ministerpräsidentin der Regierung der französischen Gemeinschaft, beauftragt mit der Bildung, den audiovisuellen Medien, der Unterstützung der Jugend und der Kinder und der Förderung der Gesundheit (1995-1999)