ABSTRACT Max FRIEDRICH

ABSTRACT

ÖSTERREICH

Max FRIEDRICH

– Professor der Psychiatrie an der Wiener Universität für Medizin,
– Berater der österreichischen Regierung in Sektenfragen.

Führt Psychopathologie zu Sekten oder führen Sekten in die Psychopathologie ?

  • Zunächst hat Professor Friedrich nachdrücklich auf die ganzheitliche Art der Persönlichkeitsstruktur jedes Menschen hingewiesen, und hat dann deren Bestandteile beschrieben, und zwar den Charakter und die körperlichen, intellektuellen, emotionalen und sozialen Komponenten.
  • Dann hat der Redner die drei Achsen der psychischen Entwicklung des Heranwachsenden einzeln aufgeführt:
    • den Aufbau der Identität,
    • die Durchführung der Identifikation durch die Suche nach Vorbildern, Leitbildern und Idealen : in diesem Stadium ist die Gefahr des Geratens in die Fänge von psychischen Verführern hoch,
    • und schließlich den Aufbau der Intimität, der nur durch einen bestimmten Ablösungsprozess aus dem Elternhaus möglich ist. Diese Phase kann durch Sekten vereinnahmt werden, die dann die Jugendlichen in eine neue Art der Nähe geraten lassen.
  • Professor Friedrich hat dann an die großen Erziehungsprinzipien und deren Grenzen erinnert. Er hat vor dem liberalen laisser-faire-Erziehungsprinzip gewarnt, das zur Bildung von Gruppen von Jugendlichen führen kann, die ihre Erziehung alleine machen (Peer-Group-Erziehung), und die eine leichte Beute für die Verführergruppen sind. Dem Prinzip des Lehrens nach dem Motto Mit-gutem-Beispiel-Vorangehen ist seines Erachtens dem Vorrang zu geben, weil es robuste Persönlichkeiten aufbaut.
  • Nachdem der Redner einige Anhaltspunkte in Sachen Psychopathologie und Behandlung gegeben hatte, hat er dann die beiden Seiten der Schlüsselfrage der Zusammenhänge von Ursache und Wirkung zwischen Sekten und Psychopathologien angeschnitten, die den Titel seines Vortrags bildete. Prof. Friedrich hat zugegeben, in seiner Praxis als Psychiater und Psychoanalytiker für Jugendliche beiden Arten von Situationen gegenübergestellt worden zu sein.
  • Zuerst hat er erklärt, wie bestimmte Psychopathologien in Sekten hineinführten. Der Jugendliche macht nämlich tiefe Krisen durch, was ihn für Angebote von Unterstützung und Heilung sehr anfällig macht. Wenn er keinen Weg der Selbstheilung bei Verwandten oder Fachleuten finden kann, kann der Jugendliche in den Drogenkonsum oder in pseudo-religiöse Gruppierungen geraten, die Heilungstherapien anbieten. Am stärksten gefährdet sind die Personen mit wahnhaften Symptomen denn die Sekten setzen sehr geschickt auf die Komponenten dieses Wahns, und zwar auf Irrealität, subjektive Gewissheit und Unkorrigierbarkeit.
  • Dann hat der Redner das Problem der durch Sekten erzeugten Psychopathologien angeschnitten. Die Sekten wirken sehr stark auf die Persönlichkeit ihrer Mitglieder ein; dies bringt eine Einengung der Persönlichkeit auf wenige Bereiche von Lebensmöglichkeit und -gestaltung, eine Verringerung und sogar eine Zerstörung des Kritikvermögens, einen psychischen Rückschritt und einen Verlust der Selbständigkeit mit sich. Die Isolation infolge des Bruchs mit der Familie und dem Freundeskreis verstärkt die innere Bindung an die sektiererische Gruppierung. Dann ersetzt eine Fremd- bzw. Einheitspersönlichkeit die Eigenpersönlichkeit, was ein Anzeichen für die psychische Manipulation ist. Drohungen, Weckung von Schuldgefühlen und unterhaltene Angst vor dem mutmaßlichen Außenfeind führen den Angehörigen zu einer totalen Abhängigkeit. Durch die Wahrnehmungs-Isolation und die Auflösung der Persönlichkeit wird der Heranwachsende dann Gewalt und Missbrauch stark ausgesetzt. Dieser Lebenslauf führt zwangsläufig zu traumatischen Reaktionen und in bestimmten anfälligen Fällen zu exogenen und sogar manchmal endogenen Psychosen.
  • Schließlich erinnerte Professor Friedrich an die drei Ebenen, auf denen die Sekten eingreifen:
    • Die Versprechungen von absoluten Lösungsansätzen und vom Erfolg im Leben, die im Moment der Anwerbung gemacht wurden,
    • Die zahlreichen Manipulationen während der ganzen Phase der Zugehörigkeit,
    • und die Drohungen gegen den Angehörigen, der die Sekte verlassen will, oder dem die Flucht daraus gelungen ist.

Diskussion: Es fanden mehrere Meinungsaustausche statt über die Zweckmäßigkeit und die Bedingungen der Vorbeugung gegen die Sekten bei den Jugendlichen (14 Jahre scheint dafür ein Übergangsalter zu sein).